Christian Müller vom Initiativkomitee übergibt Staatschreiberin Barbara Schüpbach-Guggenbühl die Unterschriften.

Weg frei für die demokratische Ausmarchung

Jetzt kann endlich der demokratische Prozess um die Initiative „Basel baut Zukunft“ beginnen. Die Gegner der Initiative akzeptieren das Urteil des Basler Verfassungsgericht vom 22. Februar, wonach die Initiative gültig ist. Im Hinblick auf diese Diskussion lohnt es sich, dieses Urteil nochmals genau anzuschauen. Das Gericht stellt das Verhältnis von Politik und Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse. Das ist bemerkenswert in einer Zeit, wo Konzerne nach Strich und Faden gehätschelt und mit allen möglichen Standort- und Steuervorteilen umgarnt werden. 

Am 25. Februar 2022 erging das Urteil das Basler Verfassungsgericht zur Initiative «Basel baut Zukunft». Es bestätigte, dass die Initiative zu Recht vom Grossen Rat für gültig erklärt wurde. Die Einwände der Beschwerdeführer wies das Gericht in allen Punkten ab. Wie die Beschwerdeführenden am 14. März 2022 bekannt gaben, verzichten auf einen Weiterzug ans Bundesgericht.

Tweet von Andrea Knellwolf, Beschwerdeführerin

Was bisher geschah

Blenden wir kurz zurück. Die Staatskanzlei Basel-Stadt stellte am 11. Juli 2020 fest, dass die Initiative “Basel baut Zukunft” mit 3087 Unterschriften zustande gekommen sei. Der Regierungsrat beantragte am am 14. Oktober 2020 dem Grossen Rat, die Initiative für rechtlich zulässig zu erklären. Das tat der Grosse Rat am 14. November 2020 mit deutlicher Mehrheit. Er beauftragte zugleich den Regierungsrat, einen Bericht und Antrag zur Initiative vorzulegen. Den Besitzern des Klybeckareals – Rhystadt AG (Basler Versicherungen) und Swiss Life – passte dies nicht ins Konzept. Sie unterstützten drei Stimmberichtigte dabei, Beschwerde gegen den Entscheid des Grossen Rates einzulegen. Und zwar beim Verfassungsgericht das Kantons Basel-Stadt. Die Initiative sei für ungültig zu erklären. Die Begründung: Sie verlangt Unmögliches und verletzt die Grundrechte der Eigentums- und Wirtschaftsfreiheit. 

Beschwerdeführende machen es sich zu einfach

Damit kamen sie beim Gericht nicht durch. Die Urteilsbegründung umfasst 32 Seiten. Für einige Argumente haben die Richter:innen die Beschwerdeführer regelrecht abgekanzelt. Die Initiative könne nur erfüllt werden, wenn ausschliesslich Wohnnutzungen realisiert würden, lautet eines ihrer Argumente. “Für diese Sichtweise findet sich im Initiativtext keine Grundlage”, sagt das Gericht dazu. Die Anforderung der CO2-Neutralität sei unmöglich und undurchführbar, meinten die Beschwerdeführenden. Dazu das Gericht: “Dem kann nicht gefolgt werden.” Was die angebliche Einschränkung der Eigentumsfreiheit angeht: “Substantiierte Ausführungen dazu, weshalb die Eigentumsbeschränkungen unverhältnismässig sein sollen, finden sich in der Beschwerde aber nicht.” In einem andern Punkt weist das Gericht die Beschwerdeführenden darauf hin, dass sie ein Argument verspätet vorgebracht haben, nämlich erst in der Replik und nicht schon in der Begründung der Beschwerde.

Initiative liegt im öffentlichen Interesse

Die offensichtliche Nachlässigkeiten der Beschwerdeführenden zeugen von einer gewissen Arroganz einer Wirtschaft, die sich gewohnt ist, dass die Politik kuscht, wenn sie etwas will. Wichtiger sind jedoch die Erwägungen des Gerichts zu den Einschränkungen der Eigentums- und Wirtschaftsfreiheit, zwei heiligen Kühen der Schweizer Rechtsordnung. Sie sind dann legitim, wenn sie verhältnismässig, erforderlich und geeignet sind, die im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu erreichen. Alle drei Kriterien treffen auf die Initiative zu. Sie sind für die Grundeigentümer auch erträglich: “Es ist davon auszugehen, dass die Eigentümerschaft solcher Areale im Regelfall in wirtschaftlicher Hinsicht von einer solchen Umzonung trotz Einschränkungen aus der Initiative profitieren kann.”

Am öffentlichen Interesse der Förderung des gemeinnützigen Wohnraums ist laut Gericht nicht zu zweifeln. Es verweist auf die Bundesverfassung, auf Entscheide des Bundesgerichts und die notorische Wohnungsnot in Basel-Stadt (Leerwohnungsbestand kleiner als 1,5 Prozent). Fraglos zu bejahen ist laut Gericht auch das öffentliche Interesse an der Vorgabe der Reduktion von Treibhausgasemissionen. 

Die von der Initiative geforderten Massnahmen sind verhältnismässig und geeignet, um die Ziele zu erreichen, die sich aus dem öffentlichen Interesse ergeben. «Auch bezüglich der Erforderlichkeit dringen die Beschwerdeführenden mit ihrer Argumentation nicht durch», heisst es dazu. Es ist in Basel für Haushalt mit geringem Einkommen zunehmend schwierig, eine passende Wohnung zu finden. «Es ist somit entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführenden nicht erkennbar, dass an der Erforderlichkeit der in der Initiative vorgesehenen Massnahmen fehlen soll.»

Kein Grundrecht auf höhere Rendite

Die Beschwerdeführenden können gemäss Gericht nicht aufzeigen, dass die Initiative eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der betroffenen Areale verhindere. Sicherlich könnten sie ohne die Initiative eine höhere Rendite erzielen. «Dies ist aber für die Frage einer sinnvollen Nutzung einer Parzelle nach Annahme der vorliegenden Initiative nicht relevant», heisst es im Urteil. Insgesamt könne eine auch für Pensionskassen und andere professionelle Anleger eine angemessene Rendite erzielt werden. 

Absage an eine geschmeidige Interpretation der Forderungen

Auch der Regierungsrat kommt im Urteil nicht ungeschoren davon. Er hat in seinem Bericht zur Initiative unter anderem argumentiert, dass die im Text genannten konkreten Anforderungen nicht alle erfüllt sein müssten. Dies mutmasslich mit dem Ziel, allfälligen Beschwerdeführenden Wind aus den Segeln zu nehmen und sich Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Initiative offen zu lassen. Das Gericht akzeptierte dies nicht. Aus der Formulierung gehe hervor, dass es sich um Mindestanforderungen an zukunftsweisende Lösungen handelt, die nicht durch andere soziale, wirtschaftliche und partizipativ erarbeitete Lösungen ersetzt werden dürfen.

Fazit 

Demokratie und Politik haben einen zunehmend schweren Stand – gerade auch in der Schweiz und gerade dann, wenn sie wirtschaftliche Gier und Ressourcenverschleuderung zurückdrängen wollen. Politische Prozesse und verfassungsmässige Rechte werden oft auch von jenen schlecht gemacht, die selber in der Politik aktiv sind. 

Die Begründung des Gerichts rückt viele Behauptungen, die gegen die Initiative ins Feld geführt worden sind, – und fraglos auch weiterhin vorgebracht werden – ins richtige Licht. Weder wird jemand enteignet, noch wird eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Areale verunmöglicht. Vielmehr sind die Massnahmen der Initiative im öffentlichen Interesse. Das heisst, sie unterstützen die Erreichung demokratisch beschlossener Ziele wie die Schaffung von mehr preisgünstigem Wohnraum und die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Diese sind verbindlich und können nicht einfach von Fall zu Fall mehr oder weniger berücksichtigt werden. 

Eine Absage erteilt das Gericht übertriebenen Renditeerwartungen. Darauf besteht kein Anspruch, gleich welchen Preis Investoren für ein noch nicht umgezontes Areal bezahlt haben oder zu zahlen bereit sind. Die Umzonung ist ein demokratischer Prozess, der das Volk spätestens bei einem Referendum zustimmt oder ablehnt. Es gibt keinen Anspruch auf die höherwertige Umzonung; dies ist lediglich eine wirtschaftliche Erwartung.

Das Gericht stellt damit – und das ist das erfreuliche daran – das Verhältnis von Politik und Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse. Beschlüsse des Volkes und des Grossen Rates definieren das öffentliche Interesse. Dieses hat Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen. Ein Eingriff in die Grundrechte ist möglich, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht und verhältnismässig ist. All dies ist nach Auffassung des Gerichts erfüllt. 

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